ZUM PHÄNOMEN DER TSCHECHISCHEN BOTANISCHEN ILLUSTRATION IM 20. JAHRHUNDERT

Die Pflanze, die durch ihre unterschiedliche Morphologie und den farbenfrohen Charme ihrer Blüten bezaubert, war schon immer ein geeignetes Objekt für die künstlerische Darstellung. Mit zunehmendem Wissen über den Nutzen und die heilende Wirkung der Pflanze, wuchs auch das Bedürfnis, ihre Form so genau wie möglich zu erfassen, damit sie in der Natur entsprechend dieser Darstellungen gefunden werden konnten.

Damit die wissenschaftliche Illustration, bzw. die wissenschaftliche botanische Illustration ihr Ziel erreichen kann, nämlich den Betrachter/ die Betrachterin mit den Fakten der Wissenschaft vertraut zu machen, sollte ihr Künstler in seinem künstlerischen Ausdruck den subjektiven Ansatz bei der Darstellung des gegebenen wissenschaftlichen Modells unterdrücken. Basierend auf einer detaillierten Untersuchung der botanischen Darstellungen der wichtigsten tschechischen botanischen Illustratoren des 20. Jahrhunderts lässt sich feststellen, dass die Einzigartigkeit und die hohe Qualität der tschechischen botanischen Illustration paradoxerweise auf dem unverwechselbaren illustrativen Ausdruck einzelner Künstlerpersönlichkeiten beruht, die der tschechische Ästhetiker und Kunsttheoretiker Dušan Šindelář unter dem inoffiziellen Begriff Tschechische botanische Illustratorenschule zusammenfasst.[1]

Jiřina Kaplická, Rosen von Michele Meilland, 1966

Die ursprüngliche tschechische botanische Illustration von Adolf Kašpar findet sich in František Polívkas vierbändigem Werk Illustrative Flora of the Lands of the Czech Crown wieder, das zwischen 1899 und 1904 erschien. Es ist anzumerken, dass die Originalität von Kašpars illustrativem Beiwerk eine bemerkenswerte Ausnahme in der damaligen Produktion darstellte; es war eher üblich, tschechische botanische Werke mit Bildanhängen nach bewährten deutschen Vorbildern zu ergänzen [1].[2]

Ein großer Impuls für die tschechische Produktion botanischer Illustrationen, sich von deutschen Vorbildern zu lösen, war die erste Veröffentlichung der botanischen Studienzeichnungen von Josef Mánes im Jahr 1940. Mánes stellte Pflanzen sensibel und sachlich dar, seine Federzeichnungen sind dynamisch und durch die Verwendung von Formkürzeln gekennzeichnet [2].[3]

Die botanischen Illustrationen von Karel Svolinský gelten als das Erbe der botanischen Zeichnungen von Josef Mánes. Aus der Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und dem Botaniker František Antonín Novák entstanden drei Bände mit botanischen Schlüsseln, Pflanzen 1 (1935), Gebirgspflanzen (1937) und Pflanzen 2 (1940) [3].

Anna Kavinová-Schustlerová schuf ihre botanischen Illustrationen auf der Grundlage sensibler Beobachtung und eines leichten, lasierenden Umgangs mit der Farbe, während František Procházka die Pflanzen mit wissenschaftlicher Genauigkeit in Federzeichnungen festhielt. František Severa beherrschte die Technik des Aquarells in seinen botanischen Illustrationen und gilt auf dem Gebiet der naturkundlichen Zeichnung als Nachfolger von Künstlern wie Václav Hollar, Antonín Navrátil, Josef Mánes und Karel Svolinský. Seine tiefen, farbenprächtigen Bilder haben eine fast magische Wirkung [4].[5]

Jiřina Kaplickas Illustrationen von Rosen, Kakteen und blühenden Sträuchern sind sachlich und monumental. Kaplická überschreitet die Grenzen der wissenschaftlichen Illustration und ihre botanischen Darstellungen zeigen daher Züge eines freieren künstlerischen Schaffens. Besonders in den Rosenillustrationen der Autorin fällt ihr bravouröser Umgang mit farbigen Aquarellvalern auf, mit denen sie die Transparenz der Blüten und ihre glänzende oder samtig matte Oberfläche, die von feinen Äderungen durchzogen ist, sensibel vom satten Grün der Stängel und Blätter unterscheidet [5].[6]

Ähnlich wie die Arbeiten von Jiřina Kaplicka bewegen sich auch die botanischen Darstellungen von Ludmila Jiřincová an der Grenze zwischen wissenschaftlicher und poetischer, freier Illustration [6].[7]

Im Gegensatz dazu stehen die Illustrationen von Otto Ušák [7],[8] die auf einem scheinbar groben, großzügigen Pinselstrich basieren, aber eine atmosphärisch leuchtende Farbgebung aufweisen. Otakar Zejbrlík konzentrierte sich in seinen Federzeichnungen auf den genauen Ausdruck der Pflanzenstruktur. Květoslav Hísek, der Nachfolger von Karel Svolinský, ging dagegen zart mit der Farbe um, und auch seine Zeichnungen behandelte er mit sensibler Sorgfalt [8].Věra Ničová-Urbanová und Ladislav Urban gelang es in ihren Darstellungen, die dünne Zeichnung, die die Schlieren der Oberfläche festhält, mit einem malerischen Detailausdruck zu vereinbaren[9 ].[10]

Vlasta Ničová-Urbanová, Prha arnika, 1980

Jindřich Krejča fand ein Gleichgewicht zwischen Zeichnung und Farbe und ergänzte die Darstellung durch mit Feder gezeichnete Details, die etwas über den Charakter der Pflanze aussagen. Vojtěch Štolfa ergänzte die Federzeichnung mit einer schwungvollen Schraffur [10].[11] Zdenka Krejčová folgte dem Beispiel ihres Lehrers Karel Svolinský und legte den Schwerpunkt auf die lineare Zeichnung, die sie mit ausdrucksstarken Aquarellen füllte. Anna Skoumalová-Hadačová und Jarmila Haldová demonstrierten ihre einzigartige Beobachtungsgabe und ihre Fähigkeit, komplizierte Strukturen in Federzeichnungen zu übersetzen und für ein breites Publikum verständlich zu machen.

An der Akademie der Bildenden Künste in Prag lehrte der akademische Maler Zdeněk Sklenár in den 1970er und 1980er Jahren in seinem Atelier wissenschaftliche Illustration. Die Arbeiten von Sklenářs Absolventen, darunter Pavel Dvorský, Eva Hašková und Petr Melan, ähneln sich in ihrer feinen Ausführung und ihrem hohen professionellen Niveau.

Wie wir also sehen können, ist für inländische Autoren/ Autorinnen von botanischen Illustrationen im 20. Jahrhundert eine kreative Variabilität typisch. Dies beeinträchtigt jedoch in keiner Weise die Sachlichkeit und die unmittelbar daraus resultierende kognitive Funktion der entstandenen botanischen Illustrationen.

Am Ende unserer kurzen Einführung in das Phänomen der tschechischen botanischen Illustration des 20. Jahrhunderts, können wir erwähnen, wie der botanische Illustrator in der Praxis vorgeht. Die KünstlerInnen verwendeten nicht immer eine lebende Pflanze als einziges Modell; einige nutzten ältere botanische Darstellungen als Inspirationsquelle während des Illustrationsprozesses, während andere Fotografien als Inspirationsquelle verwendeten. Manchmal stützten sich die Illustratoren nur auf Herbarbelege oder Sammlungsmaterial. In solchen Fällen mussten sie ihre verblassten Bilder wieder zum Leben erwecken, was sicherlich eine kreative Herausforderung für sie war.


[1] ŠINDELÁŘ, Dušan. Wissenschaftliche Illustration in Böhmen. Prag: Obelisk, 1973, pp. 60

[2] [1] Adolf Kašpar, Der gelbe Storch, Illustration zum Werk: POLÍVKA, František. Eine illustrative Flora der böhmischen Kronländer, einschließlich der bedeutendsten ausländischen Pflanzen, die bei uns zu Nutz- und Zierzwecken angebaut werden. Illustriert von Adolf KAŠPAR. In Olomouc: Herausgegeben von R. Promberg, 1900, pp. 59.

[3] [2] Josef Mánes, Sonnenblume und Kornblume, kolorierte Feder- und Bleistiftzeichnung, 50,2 x 33,5 cm, nicht signiert, Nationalgalerie Prag, Inv. č. 2100. Die Informationen über die Originalzeichnung von Mánes stammen aus der Liste der Zeichnungen, die in NOVOTNÝ, Vladimír; HALAS, František; PRÁT, Silvestr. Josef Mánes: Blumen. Prag: Orbis, 1940.

[4] [3] Karel Svolinský, Alpenglocke – Gebirgspflanzen, 1937, Feder- und Aquarellzeichnung, Papier, 20,4 x 14,3 cm, unmarkiert, Kunstmuseum Olomouc, Inv. č. K 10697.

[5] [4] František Severa, Topolovka růžová, Illustration zum Werk: JIRÁSEK, Václav und František STARÝ. Atlas der Heilpflanzen. Illustriert von František SEVERA. Prag: SPN, 1986, S. 102.

[6] [5] Jiřina Kaplická, Rosen von Michèle Meilland, Illustration für das Werk: SVOBODA, Pravdomil. Schöne Rosen. Illustriert von Jiřina KAPLICKÁ. London: Artia, 1966, S. 63.

[7] [6] Ludmila Jiřincová, Mohn, Illustration zum Werk: JIRÁSEK Václav und ZADINA Rudolf. Unsere giftigen Pflanzen. Illustriert von Ludmila JIŘINCOVÁ. Prag: CSAV, 1957, Registerkarte. 88.

[8] [7] Otto Ušák, Seerose, Illustration zum Werk: PILÁT, Albert. Ein Taschenatlas der Pflanzen. Illustriert von Otto UŠÁK. Prag: SPN, 1963, S. 13.

[9] [8] Květoslav Hísek, Ringelblume, Illustration zum Werk: THURZOVÁ, Ľudmila. Ein kleiner Atlas der Heilpflanzen. Illustriert von Květoslav HÍSEK und Karel SVOLINSKÝ. Martin: Osveta, 1984, S. 185.

[10] [9] Vlasta Ničová-Urbanová, Prha arnika, Illustrationen zum Werk: PŘÍHODA, Antonín. Heilende Pflanzen. Illustriert von Věra NIČOVÁ-URBANOVÁ und Ladislav URBAN. Prag: SNZ, 1980, S. 176.

[11] [10] Vojtěch Štolfa, Der vielfarbige Pryšec, Illustration zum Werk: TOMEČEK, Jaromír und CHYTRÁ, Magdaléna. Thermophile Flora von Südmähren. Illustriert von Vojtěch Štolfa. Brno: SVAN, 1996, S. 33.

Autor des Textes: Mgr. Jana Kosková, Stadtgalerie Litomyšl

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